Helmholtzstraße 18, 69120 Heidelberg

 

Anna und Klara Hamburger

Dr. Anna Hamburger (1873 - 1942)

Dr. Klara Hamburger (1873 - 1945)

Die Zwillingsschwestern Anna und Klara Hamburger wurden am 5. Juni 1873 in Breslau als Kinder des Kaufmanns Heinrich Hamburger geboren. Nach dem Besuch der Höheren Töchterschule nahmen sie Unterricht in wissenschaftlichem Zeichnen, lernten Latein und studierten beide als Gasthörerinnen an der Universität Breslau Naturwissenschaften. Schon in ihrer Heimatstadt gaben sie Nachhilfestunden und arbeiteten als wissenschaftliche Zeichnerinnen bzw. Institutsassistentinnen.

 

 Klara Hamburger (vordere Reihe Zweite von rechts) in der Vorlesung

Erst im Frühjahr 1900 bot sich im Deutschen Reich eine Möglichkeit für Studentinnen, gleichberechtigt mit männlichen Kommilitonen zu studieren: Die beiden badischen Universitäten Freiburg und Heidelberg ließen Frauen zur Immatrikulation zu. Im Frühjahr 1901 zogen die Schwestern Hamburger nach Heidelberg, um sich hier zu immatrikulieren und ihr Studium an der hiesigen fortschrittlichen Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät fortzusetzen.1

Anna belegte die Fächer Chemie, Physik und Mathematik, Klara Zoologie, Botanik und Paläontologie. Am 18.6.1903 wurde Klara promoviert – Annas Promotion

 

 Klara Hamburger im Labor mit Otto Bütschli

folgte 1904. Während Anna Lehrerin an einer Mannheimer Mädchenschule wurde, schlug Klara die wissenschaftliche Laufbahn ein: Als Kustodin des Zoologi­schen Museums und Assis­tentin ihres Lehrers Otto Bütschli führte sie nach des­sen Tod 1920 die Edition seiner Schriften fort, stifte­te 5.000 Reichsmark zum Ankauf seiner Bibliothek und veröffentlichte selbst zahlreiche Aufsätze zur Protistenforschung, die heute noch von Bedeutung sind. Der Vorschlag Otto Bütschlis, ihr ehrenhalber den Professorentitel zu verleihen, verhallte ungehört.       

Während des Ersten Klara Hamburger, 1906Weltkriegs richtete Klara Hamburger die Röntgenstation in der Stadthalle ein, in den zwanziger Jahren kümmerte sie sich um Stipendien und Freitische für Studierende, und manche Heidelbergerin erinnerte sich an die „besonders freundlich gehaltene Wohnung der beiden Schwestern“ (Marie Baum) oder an die Anwesenheit von Anna und Klara Hamburger im Kreis um Leontine und Victor Goldschmidt: „Ich fand sie so gescheit wie gütig“ (Maria Krehbiel-Darm­städter).

1929 war Klara Hamburger in Vertretung des damaligen Institutsleiters Curt Herbst „mit der verantwortlichen Leitung des Zoologischen Instituts betraut“. Am 17.3.1933 verlor Klara Hamburger ihre Stelle – trotz der Fürsprache von Curt Herbst; das ehedem liberale Institut wandelte sich schnell in einen „Hort nationalsozialistischer Gesinnung“. Die Entlassung Anna Hamburgers aus dem Schuldienst folgte ein Jahr später.

Zwischen Ende 1939 und Anfang 1940 mussten die Schwestern umziehen in das „Judenhaus“ Moltkestraße 1-3, von dort wurden sie am Morgen des 22. Oktober 1940 von der Gestapo abgeholt und zum Hauptbahnhof gebracht. Mit weiteren 395 jüdischen LeidensgefährtInnen aus Heidelberg und den umliegenden Landkreisen bestiegen sie den bereitgestellten Eisenbahnzug, der sie zunächst ins unbesetzte Frankreich und nach dreitägiger Fahrt nach Gurs am Fuße der Pyrenäen brachte. Das riesige Lager Gurs war 1939 als Sommerlager für ehemalige Spanienkämpfer errichtet worden, es diente inzwischen als Internierungslager für in Frankreich unerwünschte Ausländer und vor allem Ausländerinnen. Mit der Ankunft der badischen und pfälzischen Jüdinnen und Juden stieg die Zahl der Internierten von ca. 3.000 auf 10.000. Die Schwestern Hamburger gehörten zur großen Gruppe der alten Frauen, von deren Elend der Mannheimer Arzt Eugen Neter berichtet:

»Lange Monate waren bis zu 65 Frauen in den einzelnen Baracken untergebracht. Und doppelt hart wirkte sich die dichte Belegung dadurch aus, daß man mit Hinsicht auf den Morast draußen, die Baracke nicht verlassen konnte ... Den Durst nach Licht, nach Sonne in den Baracken wird niemand vergessen, der in jenem langen Winter 1940/41 in den dunklen Baracken auf dem Strohsack frierend saß und hungerte ... Die Monate November/Dezember und Januar sahen ein grausames Massensterben. Eine ruhrartige Darmerkrankung hatte um sich gegriffen ... Die Unzulänglichkeit der Kost wirkte grausam auf die Seele der Internierten.«

Wir haben keine Nachricht, wie Anna und Klara Hamburger diese Monate überstanden. Erst im Oktober 1941 findet sich in einem Brief Maria Krehbiels der Hin­weis: „Daß die beiden alten Damen (Hamburger) dort ankehren, befriedigt mich ungemein.“ Der Mannheimer Freundin Fritze Walton war es gelungen, Anna und Klara Hamburger freizukaufen und sie zu sich nach Berkeley/USA zu holen. Möglicherweise war auch Richard B. Goldschmidt an der Rettung beteiligt: Er war Kla­ras Vorgänger als Assistent von Bütschli und floh schon 1936 nach Berkeley.

In Berkeley starb Anna Hamburger am 20.1.1942, Klara Hamburger am 19.3.1945.

1 Alle Abbildungen in diesem Text entstammen dem Archiv der Universität Heidelberg.