Zwangsarbeiter in Heidelberg

 

 

In zahlreichen Behelfsunterkünften und Baracken wurden während der Kriegsjahre in Heidelberg Tausende Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen unter meist erbärmlichen Bedingungen eingepfercht; das Stadtarchiv verzeichnet 27.000 Einzelfälle. Sie mussten ohne oder bei geringer Bezahlung und bei ungenügender Verpflegung und medizinischer Betreuung in Fabriken, Gewerbebetrieben, Bauernhöfen und bei der Stadt Heidelberg arbeiten. Es gab viele Todesfälle und Hinrichtungen wegen geringster Vergehen. So beobachtete eine Anwohnerin, Frau Zambelli, das Erhängen von 5 Zwangsarbeitern im Hof der Waggonfabrik Fuchs.

 

Aus dem Sterberegister Heidelberg 1944: 

  • Nikolai Ewdokimov, Ostarbeiter, geboren am 8.8.1924 in Nowoderewnia/Russland, gestorben am 28.8.1944 mit Uhrzeit 12:30 in Heidelberg-Rohrbach, Heinrich-Fuchs-Str. 92, Todesursache "Erstickungstod"
  • Alexei Bjelow, Ostarbeiter, geboren am 1.10.1922 in Kusnezowa/Russland, gestorben am 28.8.1944 mit Uhrzeit 12:30 in Heidelberg-Rohrbach, Heinrich-Fuchs-Str. 92, Todesursache "Erstickungstod"
  • Wassili Skorkin, Ostarbeiter, geboren am 1.1.1925 in Ponorj/Russland, gestorben am 28.8.1944 mit Uhrzeit 12:30 in Heidelberg-Rohrbach, Heinrich-Fuchs-Str. 92, Todesursache "Erstickungstod"
  • Anatolij Bachatschow, Ostarbeiter, geboren am 8.2.1923 in Kiew/Russland, gestorben am 28.8.1944 mit Uhrzeit 12:30 in Heidelberg-Rohrbach, Heinrich-Fuchs-Str. 92,    Todesursache "Erstickungstod"
  • Pawel Chrebor, Ostarbeiter, geboren am 10.2.1923 in Trostianez/Russland, gestorben am 28.8.1944 mit Uhrzeit 12:30 in Heidelberg-Rohrbach, Heinrich-Fuchs-Str. 92, Todesursache "Erstickungstod"

Die Sterbeeinträge wurden am 29.8.1944 vorgenommen aufgrund der Anzeige des Kriminalangestellten Bernhard Kraus, der von den Todesfällen "aus eigener Wissenschaft unterrichtet" war.

 

Der Bericht der Augenzeugin Frau Zambelli ist abgedruckt in dem Dokumen-tenband "Damit nichts bleibt, wie es ist: Dokumente zur Geschichte der Ar- beiterbewegung in Heidelberg 1845 - 1949".

Erlebnisbericht der ehemaligen Beschäftigten der Fuchs-Waggonfabrik, Frau Zambelli, über den antifaschistischen Widerstand in Heidelberg-Kirchheim und über die Hinrichtung von ukrainischen Zwangsarbeitern auf dem Be- triebsgelände der Fuchs-Waggonfabrik:

In Heidelberg-Kirchheim gab es vor und während der Zeit des Fasch- ismus viele politisch bewußte Arbeiter mit kommunistischer und sozialistischer Einstellung, die sich aktiv gegen den Faschismus zur Wehr setzten, indem sie im Gebiet des Höllensteins und im Betrieb der Firma Fuchs-Waggonfabrik antifaschistische Flugblätter verteilten. Es war natürlich klar, daß diese Verteilung der Flugblätter absolut im Untergrund stattfand. Die SA und die SS ließen nichts unversucht, den Kern der antifaschistischen Bewegung zu zerschlagen. Es verging deshalb auch kein Tag, an dem nicht Hausdurchsuchungen in sämt- lichen Arbeiterwohnungen vollzogen wurden. Ein Teil der Arbeiter-schaft der Firma Fuchs-Waggonfabrik bildete schon immer den Kern kommunistischer und sozialistischer Bewegung.

Ich weiß, es war so um das Jahr 1941/42, da gab es in der Nähe des Kirchheimer Bahngeländes ein kleineres russisches Gefangenenlager. Die russischen Gefangenen lebten in kleineren, verwahrlosten Bara- cken und mußten für die Nazis irgendwelche Arbeiten verrichten. Die Verpflegung und Behandlung der Gefangenen war so menschenun-würdig, daß es hie und da vorkam, daß sich die Gefangenen aus Eisenbahnwaggons Verpflegung holten.

Solche Dinge sind natürlich auch an die Nazis verraten worden, und so kam es, daß an einem Morgen im Betriebsgelände der Firma Fuchs-Waggonfabrik Galgen aufgestellt wurden und fünf oder sechs gefesselte Russen vorgeführt wurden. Die Galgen wurden natürlich so aufgestellt, daß es nach Möglichkeit der Öffentlichkeit verborgen blieb. Trotzdem haben viele Arbeiter der Firma Fuchs-Waggonfabrik genau gesehen, wie die fünf oder sechs Russen durch die Heidelber- ger SA und SS aufgehängt worden sind.

Die Hinrichtung ist so vollzogen worden: Ein junger Russe (wir nann- ten ihn den kleinen Stalin) mußte die Holzkisten, auf denen die Rus- sen standen, wegschieben. Herr Fuchs, der Fabrikdirektor, hat sich an diesem Tag aus dem Staub gemacht, damit später keiner sagen konnte, er wußte von alledem. Jeder, der sich gegen diese Methoden der Nazis gewandt hätte, hätte ein ähnliches Schicksal erwartet. Später wurde uns gesagt, daß die russischen Gefangenen Gift getrunken hätten und gestorben wären.